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Ein neuer Lebensabschnitt

Kürzlich hat für mich ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Ich bin aus Schleswig-Holstein weggezogen, um für einige Jahre ortsunabhängig zu leben und zu arbeiten. Mein Plan ist es, die europäischen Länder besser kennenzulernen, Bücher zu schreiben, mich intensiv auf bestimmte Themen zu fokussieren, zu recherchieren und Menschen zu interviewen. Mein erstes Ziel ist Ypern in Belgien.


Auf dem Weg dorthin habe ich einige Tage in der Grafschaft Bentheim verbracht und unter anderem die 96-Jährige Zeitzeugin Martha Schmidt interviewt. Sie gehörte als Jugendliche zur deutschen Minderheit in Polen und teilte ihre Erfahrungen von Flucht und Vertreibung mit mir, die sie im Jahr 1944 durchmachte, als die Rote Armee vorrückte.


Weiterhin traf ich den Luftkriegexperten Joachim Eickhoff. Er erlebte als Kind die Bombenangriffe auf Osnabrück und wurde dabei eines Tages von einem Tiefflieger angegriffen und verwundet. Nach dem Krieg lebte er in der britischen Besatzungszone, fand viele britische Freunde und gründete später die Vermisstensuchgruppe Ikarus, die sich der Suche und Identifizierung vermisster Piloten und Besatzungsmitglieder des Zweiten Weltkriegs widmet – Alliierter und Deutscher gleichermaßen –, um ihnen ihre Namen zurückzugeben und Brücken zu bauen. Eine wirklich inspirierende Person.


Anschließend habe ich in Arnheim den niederländischen Produzenten und Regisseur Frank Buers getroffen und in seiner Firma begleitet. Er zeigte mir den Prozess des Filmschnitts und ermöglichte es mir, am Dreh eines kurzen Testfilms (eines sogenannten Pilots) für einen Werbespot teilzunehmen.


Einer meiner Schwerpunkte in Ypern ist es, die Erinnerungskulturen verschiedener Länder in Bezug auf den Ersten Weltkrieg zu erforschen. In diesem Kontext habe ich bereits den kanadischen Autor, Produzenten und Historiker Paul Ferguson, die beiden britischen Reiseleiter Roger Steward und Kim Wright, Peter Molloy aus Irland, Steve Sutcliffe aus den USA und Veronica Neal aus Australien interviewt. Dabei habe ich tiefe Einblicke in die kanadische, britische, irische, amerikanische und australische Erinnerungskultur gewonnen und viel gelernt.

Beispielsweise haben wir über Fragestellungen gesprochen wie:


• Inwiefern gedenkt man dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg in deinem Land unterschiedlich und welcher der beiden nimmt den größeren Platz in der Erinnerungskultur ein?


• Was denkst du über den auffälligen Unterschied zwischen dem Aussehen der hellen alliierten und der dunklen deutschen Soldatenfriedhöfe in Flandern?


• Was ist deine Intention oder Motivation, dich mit dem Ersten Weltkrieg zu beschäftigen?


Weiterhin habe ich mit dem belgischen Historiker Jan Vancoillie detailliert über die Umstände gesprochen, in denen einer meiner Vorfahren 1918 zwischen Ypern und Passchendaele von einer Granate verwundet worden war; es war aufschlussreich, dieses Ereignis zu rekonstruieren und mehr über die damalige Situation an der Front zu erfahren. Diese Ergebnisse werden ebenfalls in mein nächstes Buch einfließen.


Ich freue mich auf weitere aufschlussreiche Gespräche während meiner Zeit in Flandern. Es ist ebenfalls interessant, herauszufinden, inwiefern sich Wahrnehmungen und Ansichten je nach Person, Nationalität oder Expertise ähneln oder unterscheiden. Im Rahmen der Interviews versuche ich, so neutral und objektiv wie möglich zu sein, und mein Anliegen ist es, alle Seiten zu verstehen.


Bildnachweis: Celina Keute

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