Niederländisch »[ist eine] sehr trockene Sprache […]. Sie klingt, als hätte man eine ganze Tüte Zwieback gegessen und würde dann zu sprechen beginnen«, sagte eine niederländische Probandin über ihre Muttersprache.
Letztes Jahr habe ich meine Masterarbeit im Fach Linguistik über die Wahrnehmung und Bewertung fremder Sprachen geschrieben und dabei Deutsch, Niederländisch, Französisch und Italienisch miteinander verglichen. Heute möchte ich die wichtigsten Ergebnisse meiner Recherche teilen.
Insgesamt wurden die beiden romanischen Sprachen – Französisch und Italienisch – als weitaus schöner, melodischer, flüssiger, offener, attraktiver, angenehmer, eleganter, wärmer, leichter und weicher wahrgenommen als die beiden germanischen Sprachen Deutsch und Niederländisch. Interessanterweise wurden die beiden romanischen Sprachen oft mit einer Wellenlinie verglichen, wohingegen die beiden germanischen Sprachen als gerade Linie oder als Straße mit Schlaglöchern wahrgenommen wurden.
Während der persönlichen Interviews hatte ich die Möglichkeit, die Teilnehmer intensiver nach den Gründen zu fragen, weshalb sie eine Sprache auf eine bestimmte Weise wahrnehmen. Insgesamt wurden Gründe genannt, die sich auf den Sprechrhythmus, die Laute und andere sprachliche Eigenschaften beziehen, aber auch Stereotype und Vorurteile, eigene Erfahrungen und Einstellungen, die Verständlichkeit und die Mentalität der Sprecher und sogar das Wetter an dem Ort, an dem die Sprache gesprochen wird.
Warum bewerten wir eine Sprache auf eine bestimmte Weise? Unter Linguisten gibt es dazu zwei Theorien. Anhänger der »Inherent Value Hypothesis« nehmen an, dass Menschen von Natur aus bestimmte sprachliche Eigenschaften bevorzugen, wohingegen gemäß der »Social Connotations Hypothesis« insbesondere Konnotationen die Wahrnehmung beeinflussen. Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich eine eigene Hypothese unter der Bezeichnung »Veranlagungshypothese« aufgestellt, die Aspekte beider Seiten verbindet. Sie berücksichtigt einerseits die Lautsymbolik als leichte Form einer universell empfundenen Synästhesie und wird andererseits um Assoziationen und Konnotationen ergänzt.
Zum Beispiel wurden in meiner Studie sowohl das Deutsche als auch das (niederländische) Niederländisch aufgrund der gutturalen Laute von einigen Interviewpartnern als harsche und zum Schreien geeignete Sprachen angesehen, in einigen Fällen kamen hier entsprechende Stereotype zum Vorschein. Die Varietät des flämischen Niederländisch hingegen wurde aufgrund des »weichen g« als weitaus sanfter wahrgenommen und nicht als harsch oder zum Schreien geeignet empfunden. Dies könnte auch mit sozialen Konnotationen begründet werden, da Niederländer die Flamen oft als eher zurückhaltend beschreiben, während die Flamen die Niederländer im Gegenzug tendenziell als laut erachten.
Inwiefern die »Veranlagungshypothese« zutrifft und in welcher Weise sprachliche Eigenschaften und soziale Konnotationen einander beeinflussen, könnte in zukünftiger Forschung eingehender und interdisziplinär untersucht werden. Weiterhin hat die Masterarbeit gezeigt, wie bedeutsam das Thema ist, da es die Art beeinflusst, wie Sprecher verschiedener Sprachen einander wahrnehmen und was sie voneinander denken. Daher möchte ich die Wahrnehmung von Sprachen und Nationalitäten in Zukunft weiterhin erforschen, um ein größeres Verständnis zu schaffen und Missverständnisse zu beseitigen.
Bildnachweis: Celina Keute
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