»Krieg ist kein Abenteuer und kein Vergnügen. Er ist von allem nur das Schlimmste«, sagt mein 96-jähriger Urgroßvater Hermann Kronemeyer. Er hat den Zweiten Weltkrieg als Jugendlicher erlebt und wurde als Siebzehnjähriger eingezogen, um als Soldat und Besatzer in die Niederlande an die Westfront verlegt zu werden. Seine Erinnerungen habe ich im Buch »Schüsse in der Stille« veröffentlicht.
Diesen September war ich drei Wochen lang auf Lese- und Recherchereise in Nordwestdeutschland, den Niederlanden und in Belgien, um die historischen Orte zu besuchen, die in meinem Buch vorkommen. Es war eine sehr intensive Reise, auf der ich viel gelernt und interessante Menschen kennengelernt habe.
Ich besuchte ehemalige Emslandlager und gab Lesungen in Uelsen, Hoogstede, Esterwegen, Hagen und Münster. Im Bunker Hagen hatte ich die Möglichkeit, die Simulation eines Luftalarms mitzuerleben – eine eindrückliche Erfahrung. Weiterhin besuchte ich die niederländische Stadt Voorthuizen, wo mein Urgroßvater sich im April 1945 von den Kanadiern gefangen nehmen lassen hat, und habe an einer Gedenkveranstaltung zu den Luftlandungen auf der Ginkelse Heide teilgenommen.
In Belgien führte mich Dirk Franchoo durch das ehemalige Kriegsgefangenenlager Zedelgem, zudem besuchten wir zusammen einige Sehenswürdigkeiten zum Ersten Weltkrieg, darunter deutsche und britische Soldatenfriedhöfe. Im Recherchezentrum des »In Flanders Fields«-Museums waren Annick Vandenbilcke und ihr Team sehr bestrebt, mehr über die Umstände herauszufinden, unter denen mein Ururgroßvater Harm Hindrik Kronemeyer 1918 in der Nähe von Ypern schwer verwundet worden war. Weiterhin traf ich zwei Engländer am Denkmal des Weihnachtsfriedens in Menen und habe mich einige Zeit mit ihnen ausgetauscht.
Besonders dankbar bin ich für all die Begegnungen mit Menschen aus den Niederlanden, aus Belgien, Großbritannien und weiteren Ländern auf dieser Reise. Sie alle begegneten mir mit Sympathie und Wohlwollen, nirgendwo habe ich jegliche Kritik oder Anschuldigungen vernommen. Besonders in Westflandern und Ypern herrscht eine Atmosphäre der Versöhnung und des gemeinsamen Erinnerns; die Menschen sind sich bewusst, dass in diesen Kriegen beide Seiten gelitten haben.
Als Autorin beschäftige ich mich seit Jahren mit dem Thema Krieg, wodurch mir bewusst geworden ist, wie sehr wir den Frieden wertschätzen sollten. Diese Arbeit, vertieft durch meine Reise, hat mich dazu inspiriert und darin bestätigt, mich selbstständig zu machen und meine eigenen beruflichen Ziele zu verfolgen, um mehr Verständnis zwischen den Nationalitäten zu schaffen.
Um meine Reise noch intensiver aufzuarbeiten und Interessierten weitere Einblicke zu ermöglichen, habe ich zudem beschlossen, mein nächstes Buch zu schreiben: Es wird ein Reisebericht, gefüllt mit persönlichen Erlebnissen, historischen Hintergrundinformationen und den Geschichten der Menschen, die ich vor Ort getroffen und interviewt habe. Darüber hinaus möchte ich aufzeigen, wie die Menschen in Europa heute mit dem Erbe der beiden Weltkriege umgehen.
Bildnachweis: Maren Weers, Ria Crivits, Celina Keute
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